ANNE-MARIE
Therapy

KLANGPROFIL: leichtfüßig LABEL: Asylum Records KLANGSTART: Juli 2021

Wäre dieses Album vielleicht um ein paar Monate verschoben worden, hätte ANNE-MARIE die Songs hier ernsthaft verfeinern und dem Album etwas mehr Abwechslung verleihen können.

Anne-Marie wurde von ihrer eigenen Musik gelangweilt. Die britische Popsängerin sagte der BBC, dass sie Angst davor habe, ihren größten Song „Rockabye“ auf Tour zu spielen, da ihr die verführerische Trop-House-Zusammenarbeit mit Clean Bandit und Sean Paul missfallen sei. Es war der Titel, der den Kern ihres ersten Albums, „Speak Your Mind“ aus dem Jahr 2018, bildete, das voller fader, heftiger Elektro-Pop-Nummern war und vor allem durch das von Ed Sheeran mitgeschriebene „2002“ bekannt wurde. Gleich nachdem sie die Platte veröffentlicht hatte, begann sie mit der Arbeit an der nächsten – einem wütenderen Album, wie sie sagte, das auf Hass gegenüber einer Ex aufbaute. 

Apple Music – Cookies nötig.

Doch dann kam nach einer Show ein Vater auf sie zu und sagte, dass seine Tochter zu der Sängerin aufschaue. „I couldn’t deal with this little girl listening to all this angry music I’d been making“, sagte sie zu Music Week. „My role and who I want to be is someone who lifts people up and makes people feel good.“ Sie verwarf das Album und schrieb ein völlig neues mit dem Titel „Therapy“, entschlossen, etwas aufzurichten. Das resultierende Projekt wird heruntergedimmt und verwässert. Anne-Marie baut ihre Songs auf vagen Ideenvorschlägen auf – Herzschmerz und Widerstandsfähigkeit, Selbsterkenntnis und unbeschwerte Liebe – gesungen von glitschigen Clubbeats und überflutet von schnulzigen Synthesizern. 

Die elegantesten Songs des Albums sind eine Neuauflage ihrer früheren Hits. Little Mix gesellen sich zu Anne-Marie und übertönen sie oft bei „Kiss My (Uh Oh)“, einer flauschigen, fadenscheinigen Interpolation des Titels „Never Leave You (Uh Ooh, Uh Ooh)“ aus dem Jahr 2003. Selbst wenn die vorgestellten Künstler Produzenten sind, wie bei der Rudimental-Kollaboration „Unlovable“, fühlt es sich immer noch wie ein Song an, der aus ihrem eigenen Album geklaut und hier zum Streamen hochgeladen wurde. Das ist eine Schande, denn es gibt Momente, in denen Anne-Marie’s klarer, aber verletzlicher Pop durchschimmert, insbesondere im nachdenklichen „Breathing“, das in einem wunderschönen Refrain erblüht, und im pulsierenden „Better Not Together“.

Die Höhen fühlen sich jedoch flüchtig an. Der Titelsong verspricht viel, ist aber nur ein Lippenbekenntnis zur emotionalen Entblößung der Seele, während Ed Sheeran’s lyrische Motive in „Beautiful“ widerliche Versuche der Selbstermächtigung dominieren. Eine verpasste Gelegenheit, einen Stern leuchten zu lassen.

Transparenzhinweis: Dieser Beitrag enthält Affiliate-Links. Wenn du über diese Links kaufst, erhält MariaStacks als JPC/Amazon-Partner eine kleine Provision. Für dich bleibt der Preis gleich.

Close-up von Anne-Marie mit pinkem Haar, intensivem Blick und kunstvoll manikürten Fingern voller auffälliger Ringe. Der Schriftzug „Therapy“ steht handschriftlich über ihrem Namen. Das Bild ist hell belichtet und poppig inszeniert.


Apple Music – Cookies nötig.


„Therapy“ von Anne-Marie wirkt wie ein pastellfarbener Spiegel des modernen Poplebens: Eine Künstlerin, die frontal, fast herausfordernd ins Bild blickt, umgeben von Glitzer, Candy-Looks und blendendem Licht. Das Cover schreit nicht nach Drama, sondern zelebriert einen eigenwilligen, leichtfüßigen Optimismus – mit einem Hauch von Selbstironie. Hinter all dem perfekten Schein und dem durchgestylten Auftreten steckt aber auch eine feine Selbstreflexion. Die Songs drehen sich um Herzschmerz, das Aufrichten nach dem Fall und die Suche nach kleinen Glücksmomenten im Alltagschaos. Es ist dieses Gleichgewicht zwischen Pop-Glamour, zerbrechlichem Selbstbewusstsein und aufmunterndem Trotz, das die Grundstimmung trägt. Nicht schwer, nicht düster, sondern leichtfüßig und zugänglich – wie ein zu grelles Neonlicht, das dennoch einen Rest Melancholie nicht leugnen kann, aber alles in einen Hauch von „es wird schon“ taucht.
leichtfüßig