
DAVID BYRNE
DAVID BYRNE kehrt mit WHO IS THE SKY? als hellwacher Chronist des absurden Alltags zurück: kunstvolles Art-Pop-Feuerwerk mit Ghost-Train-Orchestra, St. Vincent und Hayley Williams, zwischen Orchesterrausch, Marching-Grooves, liebevoller Selbstironie, greifbaren Zitaten und punktgenauer Gesellschaftsbeobachtung.
David Byrne hat ein halbes Jahrhundert damit verbracht, das Fremde im Vertrauten offenzulegen, zuerst mit Talking Heads, später als Solokünstler mit Theater-, Film- und Essay-Abstechern. „Who Is the Sky?“ knüpft an die späte Popularität von „American Utopia“ an, erweitert das optimistische Menschenbild allerdings um mehr Theatralik, mehr Kammerpop, mehr Politur. Kid Harpoon glättet Kanten, das Ghost Train Orchestra schichtet Hörner, Streicher, Marimba, Percussion: ein üppiger Klangbau, der Byrne oft glänzen lässt, gelegentlich erdrückt. Der Auftakt „Everybody Laughs“ wirkt wie ein Umzug durch eine ganze Stadt, Hörner peitschen nach vorn, Stimmen reihen sich ein, St. Vincent setzt die Refrain-Schleife, die Botschaft bleibt offenherzig humanistisch.
„When We Are Singing“ treibt dieses Gemeinschaftherz weiter, „A Door Called No“ kontert mit lakonischem Stoizismus, rhythmisch straff, melodisch schmal: hier holt Byrne die Spannung aus der Lücke, nicht aus der Fülle. Seine Obsession für das Alltagsbizarre bekommt neue Schauplätze. „My Apartment Is My Friend“ adelt den Wohnraum zur Figur, ein Kammer-Western blinkt kurz auf, Elektronik flirrt, Morricone-Schatten huschen. „Moisturizing Thing“ hebt Hautpflege ins Groteske, hübsch gesetzt, in der Pointe etwas dünn. Die stärkste Pop-Magnetik entfaltet „What Is the Reason for It?“ mit Paramore’s Hayley Williams: Trompeten stechen, Drums marschieren, zwei Stimmen fragen im Refrain „What is the reason for it? Why is it there? Is it my body or my brain?“ – eine Art Tanzseminar über das Unfassbare namens Liebe.
Tom Skinner (The Smile) spannt das rhythmische Fundament, auf dem Byrne seine Textminiaturen balanciert. „The Avant Garde“ zieht die Kunstszene zärtlich durch den Kakao, während „I Met the Buddha at a Downtown Party“ Spirituelles zur Desserttheke begleitet: albern, charmant, anrührend, je nach Tagesform. Ganz am Ende brennt „The Truth“ nach, verdichtet, zitierfreudig: „‘The truth, my dear,’ said Norma Shearer, ‘is the last thing a man ever wants to hear.’“ Byrne widerspricht, ringt weiter, verwandelt Erkenntnis in Leichtigkeit. Das Cover erzählt diese Welt mit: ein psychedelischer Wirbel aus Gelb, Pink, Schwarz, Federn, Quasten, ein Kostüm zwischen Karneval und Parade, mittendrin Byrne als Zeremonienmeister.
Diese Spirale spiegelt die Musik, denn die Arrangements ziehen das Ohr ins Zentrum, farbig, wuchernd, manchmal nahe am Zuviel. Wo die Produktion Luft lässt, gewinnt das Album Profil: „Don’t Be Like That“ lebt von Bo-Diddley-Schub und humorvollen Scat-Eskapaden, „She Explains Things To Me“ zieht TV-Bilder Richtung Herzschlag. Die Bilanz fällt ambivalent aus: enorme Handwerkskunst, ein vibrierendes Orchester, große Melodien, gelegentlich überfrachtete Dramaturgie. Genau in diesem Reibungsfeld behauptet sich Byrne erneut als verlässlicher Lieferant von Denken, Grooven, Grinsen.
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