
KAITLYN AURELIA SMITH
KAITLYN AURELIA SMITH’s GUSH: Zwischen neonflackernden Klangkaskaden, sinnlicher Synth-Sprache und dem Mut zur Irritation entfaltet die US-Komponistin ihr bislang körperlichstes Album voller synästhetischer Pop-Momente.
Kaitlyn Aurelia Smith hat sich seit ihrem Debüt „Tides“ 2012 als eine der eigenwilligsten Stimmen elektronischer Musik etabliert. Ihr Instrument ist das modulare Buchla-System, doch sie versteht es nicht als Werkzeug der Kontrolle, sondern als Partner, der eigene Impulse setzt. Nach Kollaborationen mit Künstlern wie Joe Goddard von Hot Chip und einer gefeierten Nominierung für „Let’s Turn It Into Sound“ (2022) wendet sie sich nun auf „Gush“ einer direkteren Sprache zu, die uns weniger in tranceartige Sphären entlässt als mitten in vibrierende Alltagsmomente hineinzieht.
Schon der Opener „Drip“ macht klar, dass hier keine bloße Meditation ansteht, sondern eine Erkundung des „Look at this!“-Prinzips, wie Smith selbst es nennt. Geräusche, die wie nebensächlich erscheinen, werden zur Essenz erhoben, während sich ihre Stimme zwischen Flüstern und Chor erhebt. Der Titelsong „Gush“ steigert diese Haltung zur hymnischen Formel: „I like how you think / I like the way you see things“ – ein Mantra, das das Banale ins Strahlende überführt. Tracks wie „Urges“ oder „Stare Into Me“ operieren mit Spannungsfeldern zwischen maschinellem Pochen und fast beunruhigenden Pausen, die das Fließen der Stücke immer wieder aufbrechen.
„Into Your Eyes“ wagt den Einsatz von AutoTune, ohne sich damit dem Mainstream auszuliefern, sondern um die Stimme in fremde Höhen zu treiben. Am radikalsten wirkt „Both“, wo Smith’s modulare Klangräume zu einer dichten, leuchtenden Masse verschmelzen, die an psychedelische Pop-Experimente der Siebziger erinnert, nur futuristisch neu verschraubt. Das Cover verdeutlicht diesen Bruch mit ihrer bisherigen Bildsprache. Ein Eiswürfel zwischen Lippen, neon-grünes GUSSH-Schriftzeichen, retrofarbene Balken: Das Sinnliche trifft hier auf den artifiziellen Schock. So wie im Song „What’s Between Us“ Nähe und Misstrauen gleichzeitig verhandelt werden, zeigt auch das Bild die fragile Spannung zwischen Kälte und Körper.
Smith will nicht nur gehört, sondern gesehen werden. Am Ende, mit „Lay Down“ und „In the Dressing Room“, reduziert sie alles auf nackte Loops. Kein Abschluss, sondern eine offene Klammer. „Gush“ ist weniger eine lineare Erzählung als ein Kaleidoskop von Momenten, in denen das scheinbar Zufällige zum Ereignis wird. Es bleibt ein sperriges Werk, doch eines, das eine neue Direktheit wagt und seine sperrige Schönheit immer wieder aufblitzen lässt.
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