In ESTHER ROSE’s neuem, direktem und fein nuanciertem Stil schwingen Geschichten von Abstürzen und Aufbrüchen mit – von einem sanft veränderten Blick auf Drogen, der leisen Reife erwachsener Beziehungen und dem Lächeln, das zwischen den Zeilen bleibt.
Es gibt Alben, die kommen leise durch die Hintertür, setzen sich mit einem Glas Rotwein an deinen Küchentisch – und bevor du dich versiehst, erzählen sie dir dein eigenes Leben nach. Esther Rose hat genau so ein Album gemacht. „Want“, ihr fünftes Studioalbum, ist kein Werk, das um Aufmerksamkeit bettelt. Es weiß, dass es sie verdient hat. Schon der gleichnamige Eröffnungstrack macht klar, wo der Hase langläuft: „I want to live in the desert and bake in the sun / I want to live in the city and kiss everyone“. Willkommen im Universum der widersprüchlichen Sehnsüchte. Ein bisschen wie Liz Phair, wenn sie eine Woche in Santa Fe verbracht und anschließend ein PJ-Harvey-Mixtape beim Lagerfeuer analysiert hätte. Und zwischendrin ein bisschen Hank Williams, der schüchtern in die Indie-Disco lugt.
Die Songs auf „Want“ klingen größer, mutiger, kantiger. Rose verabschiedet sich endgültig vom Lo-Fi-Charme ihrer früheren Aufnahmen und umarmt den vollen Bandsound – mitsamt Video Age und The Deslondes als musikalischem Rückgrat. Das Ergebnis? Ein sonnig aufgeladenes Americana-Mosaik mit shoegazigen Gitarren, folkigem Herz und einem Schuss Garage-Pop. „Had To“ lässt die Saiten flirren wie ein Gewitter über offener Prärie, während Ketamine das Trauma mit dronenden Gitarren unterfüttert – ein Song, der klingt, als hätte sich Mazzy Star mit den frühen Pixies in einem verrauchten Studio eingesperrt. Lyrisch bleibt Rose so radikal persönlich wie eh und je – nur diesmal mit mehr Punchlines.
Zwischen Selbsthilfegruppen-Realismus und poetischem Halluzinieren finden sich Sätze wie „Drinking is a reason to be saved“ oder „Hello anxiety, I really think you ought to get to know me“. So ehrlich, dass man lachen muss – auch wenn’s eigentlich weh tut. Nicht jeder Track sitzt wie angegossen – „Color Wheel“ schrammt ein wenig zu hart an der Grenze zum zu roh Produzierten vorbei. Ja, es soll verletzlich klingen, aber müssen die Tonbandgeister gleich mitsingen? Andererseits: Vielleicht ist genau das der Punkt. Schönheit im Bröckelnden, im Noch-nicht-Ganzen – und manchmal eben auch im zu Langen.
Spätestens mit „New Bad“ macht Rose klar, dass sie sich nicht mehr zwischen Americana, Indie und Pop entscheiden will. Sie nimmt einfach alles. Und es funktioniert. Wie ein Mix aus The Modern Lovers, einem abgerissenen 90s-College-Rock-Zine und dem Tagebuch einer Frau, die gelernt hat, sich selbst wieder zu mögen – zumindest für drei Minuten und fünfzehn Sekunden. Das Album schließt mit „Want Pt. 2“, einem sanft heranwachsenden Epilog mit A-cappella-Start, Band-Einsatz und der Erkenntnis: Wir können nicht immer kriegen, was wir wollen, aber wir können verdammt nochmal gute Songs darüber schreiben.
„Want“ ist ein rotziger, poetischer, witziger und erstaunlich eleganter Befreiungsschlag. Esther Rose macht Musik, die zwischen Verzweiflung und Hoffnung oszilliert, mit genügend Melodie für den Indie-Dancefloor und genug Wahrheit für den Tag danach.
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