Yard Act – The Overload

Indie Rock, VÖ: Januar 2022
THE OVERLOAD von YARD ACT wird dem Hype mit Bravour gerecht. Brillant konstruiert, strotzt es vor Vignetten, die von sofort erkennbaren Karikaturen der britischen Gegenwart bevölkert sind.

Die Indie-Rock-Szene hat seit einigen Jahren eine starke Flaute (die IDLES können ja schließlich nicht alles stemmen) und da stürzt man sich heutzutage eben auf alles, was auch nur im Wenigsten nach einer kleinen Auffrischung aussieht. Was gesucht wird, ist eine Band, die Risiken eingeht und absolut erfrischend klingt. In großen Teilen hat sich jetzt tatsächlich eine Band finden lassen: Yard Act. Nachdem sie in den letzten zehn Jahren in der Szene der Stadt herumgewirbelt sind – Frontmann James Smith in Post War Glamour Girls, Bassist Ryan Needham im Psych-Duo Menace Beach – macht sich ihre Investition in ein neues Projekt bezahlt. Yard Act erkennen an, dass ihr verspieltes, künstlerisches und oft rechtschaffenes Debüt in einer unfruchtbaren Zeit für britische Gitarrenmusik ankommt. Kleine Überraschung: Yard Act wurde von einem großen Label geschnappt, das verlegen versucht, sich wieder auf eine Szene und einen Sound zu konzentrieren, die es lange aufgegeben hatte.

Smith schreibt dem Aufstieg von Sheffield’s Arctic Monkeys Mitte der Nullerjahre den Ton seines Songwritings zu: “The way Alex Turner wrote lyrics around social observation definitely helped me grow in confidence,” erzählte er dem NME. “To go into that amount of detail on specific objects, to make them seem poignant and profound was really cool. Before that, the music I was listening to wasn’t doing that.” Der Sound von Yard Act basiert auf gesprochenem Wort, kulturkritischen Texten, die sich nicht die Mühe machen, den West-Yorkshire-Akzent von Sänger James Smith zu verbergen, unterstützt von Post-Punk-Instrumenten. Der unmittelbare Bezugspunkt dafür wird für die meisten zweifellos Blur sein, insbesondere der Song „Parklife“. Es ist jedoch nicht besonders vom Song abgeleitet, Smith’s Kadenzen klingen oft ähnlicher wie etwas, das von The Streets oder sogar John Cooper Clarke geschrieben wurde, aber die Konzepte sind auffallend ähnlich und der Einfluss ist unbestreitbar.

An der Schnittstelle zwischen sozialer Beobachtung, Surrealismus und Stand-up sitzen die fesselnden Garne von Yard Act. Die Instrumentals dienen als perfektes Vehikel für die vorliegenden Botschaften; der Rest der Band (Ryan Needham am Bass, Sam Shjipstone an der Gitarre und Schlagzeuger Jay Russell) ist genauso wasserdicht. Die Hookline von „Dead Horse“ macht so süchtig, dass sie sicherlich mit etwas Illegalem durchsetzt ist, „Witness“ sprudelt wie eine Mentos in der Cola und sein Lo-Fi-Knistern erinnert an „Totally Wired“ von The Fall. „Tall Poppies“ zeigt komprimiert das Leben eines Durchschnittstypen – von der Geburt bis zum Tod – in sechs beschwingten Minuten, die kein Urteil fällen, sondern vielleicht nur feststellen, dass eine gewöhnliche Existenz alles ist, was uns allen wirklich gegeben ist, und das ist in Ordnung. Zum Abschluss  zeigt die Band auf „100% Endurance“ ihr gesamtes Können. “It’s all so pointless / And when you’re gone / It makes me stronger knowing / That this will all just carry on,” singt James in einem Moment wirklich berührender Schärfe.

Es mag noch früh sein, „The Overload“ zum Album des Jahres zu machen, aber eine innere Stimme sagt, dass diese Platte irgendwo ganz oben stehen wird. Yard Act sind vielleicht nicht hier, um die Musikindustrie zu retten, aber sie werden sie ziemlich aufrütteln.

8.8