Die LEMON TWIGS nehmen sich vielleicht nicht immer ganz ernst, aber wir sollten sie deshalb nicht als Scherz abtun.
Das neue Album der Lemon Twigs ist ein metaphorisches, vielseitiges Spiegelhaus, in dem jedes Lied an einen anderen herausragenden musikalischen Akt erinnert, als würden wir uns in einer verzerrten Reflexion sehen. Wir gehen zu einem verzerrten Spiegel und unser Körper ist groß, kurz, breit und dünn. Wir gehen zu einem anderen und sehen uns als eine ganz andere Person. Musik spielt sich hier wie ein gespenstischer Karnevals-Soundtrack ab. Das eröffnende Stück des Albums, „Hell on Wheels“, erinnert an die Stimme von Mick Jagger und die ungewöhnliche Klangqualität von Bob Dylan’s „Stuck Inside of Mobile with the Memphis Blues Again“. Als nächstes bietet „Live in Favor of Tomorrow“ einen fröhlichen, rasanten Ausflug zum Strand mit den Harmonien der Beach Boys.
Es ist zwei Jahre her, dass ihre Rockoper „Go to School“ aus dem Jahr 2018 veröffentlicht wurde, aber jetzt – nach einer viermonatigen Verzögerung durch eine Pandemie – ist die dritte Platte der Lemon Twigs endlich erschienen. Da sie die wichtigsten musikalischen Komponenten ihrer ersten beiden Platten recycelt haben, fühlt sich dies eher wie eine Zusammenstellung der größten Hits an, als wie ein zusammenhängendes Album mit Anfang, Mitte und Ende. Trotzdem handelt es sich keineswegs um eine heruntergekommene Sammlung des Rockduos aus Long Island. Wir erhalten nicht nur die charakteristischen Power-Pop-Elemente der Band, die ihren einzigartigen Sound ausmachen, sondern auch eine erfrischende Sammlung neuer Ideen.
War es das Warten wert? Nun, es gibt 12 brandneue Songs auf diesem Album und zum Glück haben die Brüder Michael und Brian D’Addario diese vollgepackt mit Highlights. Seien es die bereits erwähnten Tracks, oder das bittere und komödiantische Liebeslied mit dem Titel „Hog“. Zum größten Teil werden diese Tracks von Twangy-Gitarrenmelodien, Kubrick-ähnlichen Synth-Hooks und einer manchmal überwältigenden Flut von ineinandergreifenden Gesängen angetrieben. Das Schlagzeug ist eng und die Bass-Tracks sind durchweg rhythmisch. Während keiner der Songs per se schlecht ist, gibt es einige – vor allem die vierte und neueste Single „No One Holds You (Closer Than the One You Haven’t Met)“ und „Only a Fool“ – welche aufgrund ihrer chaotischen und ungeordneten Strukturen keine klare Richtung erkennen lassen.
Wer dieses neue Album in vollen Zügen genießen möchte, sollte größte Aufmerksamkeit walten lassen. Manchmal bietet es einem etwas zu viel und wirkt dadurch zu aufgebläht. Obwohl es nicht bahnbrechend ist, bleibt es eine revitalisierende Rock-Platte, die durchaus ernst genommen werden sollte.
