Wenn The Hurting eine seelische Qual war, markiert das zweite Album SONGS FORM THE BIG CHAIR von TEARS FOR FEARS den Fortschritt in Richtung emotionaler Heilung, eine besonders kühne Art der Entspannung.
Das zweite Album von Tears For Fears läutet eine dramatische Reifung in der Musik der Band ein, weg vom Synth Pop, mit der es nach dem Debüt (zu Unrecht) klassifziert wurde, und hin zu einer komplexen, einhüllenden Pop-Raffinesse. Das Songwriting von Orzabal, Smith und dem Keyboarder Ian Stanley machen einen großen Sprung nach vorne und stützen sich auf Reserven spürbarer Emotionen und liebevoller, langwieriger Melodien, die sich genauso auf Soul- und R&B-Musik berufen, wie auf unmittelbare Pop-Hooks. Das Album könnte fast als pseudo-konzeptuell bezeichnet werden, da jedes Lied seinen eigenen Platz einnimmt und einen wesentlichen Bestandteil zum Gesamtgebilde beiträgt. Es ist eine zielstrebige Entschlossenheit, die leicht zu übersehen ist, wenn ein Album so erfolgreich ist wie „Songs from the Big Chair“.
Einst eine Dark Wave Band, die von den Turbulenzen der Kindheit angeheizt wurde, markiert die Etablierung mit dem zweiten Album den erhabeneren New Wave Sound von Tears For Fears. Eine der größten Stärken von Roland und Curt sind ihre beispiellosen stimmlichen Fähigkeiten: Beide singen hoch, haben aber dieses unglaublich tiefe und runde Timbre. Die Gesänge sind voluminös und voller Dynamik. Ihre Fähigkeiten begannen stark und konfrontativ mit „The Hurting“, blühen aber auf dieser wunderbaren Platte erst so richtig auf. Viele ihrer größten Hits tummeln sich hier, um ihre großartigen Stimmen zu vermitteln, sei es „Shout“, dass in Instrumentierung und Dynamik allmählich ansteigt, das unwiderstehliche „Everybody Wants to Rule the World“, das von Euro-Pop inspirierte „Mother’s Talk“ oder das entzückende „Head Over Heals“.
Jeder von ihnen zeigt die Fähigkeit der Band, einige der besten Ohrwürmer aller Zeiten aufnzunehmen und es wäre unmöglich, sich die 80er ohne sie vorzustellen. Abgesehen davon, dass die gesamte Aufnahme verlockend melodisch ist, klingt sie so, als ob sie in einem geschlossenen, massiven Konzertsaal aufgenommen worden wäre, der mitten im Weltraum schwebt. Aber was „Songs from the Big Chair“ von anderen New-Wave-Alben unterscheidet, sind die eher entwicklungsorientierten Tracks. Die Eröffnungsharmonien von „The Working Hour“ sind einfach magisch – ganz zu schweigen vom Rest unter Roland’s hochfliegenden Gesängen. Der letzte Song „Listen“ hat mit seinen knackenden Gletschersoundeffekten und luftigen Synthesizern, der wehenden Opernsopranistin und dem unergründlichen Gesang das meiste an Schönheit zu bieten. Es hinterlässt nur einen schwer fassbaren Eindruck, aber es ist eine schöne Überraschung am Ende eines Albums, dass den Zeitgeist der 80er perfekt einfangen konnte.
„Songs from the Big Chair“ ist ein verträumter und zeitloser Pop-Klassiker und zweifelslos eine der raffiniertesten Platten der 80er Jahre.