Talking Heads – Speaking In Tongues

Classic AlbumsRock, VÖ: Juni 1983
Die wahre Kunst auf SPEAKING IN TONGUES ist die Einbindung disparater Elemente aus Pop, Punk und R&B in eine kohärente, feierliche Tanzethik, die Vorstellungen von Farbe und Genre in Lächeln und Schweiß auflöst. Ein neues Modell der TALKING HEADS für großartige Partyalben.

Es ist 1981. Die Talking Heads haben gerade das wild ambitionierte „Remain In Light“ veröffentlicht, aber die Zukunft der Band ist alles andere als gesichert. Was könnten sie einem solchen Album folgen lassen? Wohin als nächstes? Die Bassistin Tina Weymouth sagte damals: “We spent so many years trying to be original that we don’t know how to be original any more.” Die Talking Heads machten also das, was jede hochkreative Band, die kurz vor der Trennung stand, tun sollte: Das Quartett machte eine Pause, um sich mit Nebenprojekten abzulenken. David Byrne drehte „The Catherine Wheel“, einen Soundtrack für ein Ballett. Weymouth und Ehemann / Schlagzeuger Chris Frantz haben ihr erstes Album als Tom Tom Club veröffentlicht. Und der Gitarrist / Keyboarder Jerry Harrison veröffentlichte sein erstes Soloalbum, „The Red And The Black“, das Jerry Harrison überzeugte, wenn auch sonst niemanden.

Als sie sich neu formierten, waren die schwindelerregenden Eifersüchteleien in dieser bekanntermaßen gestörten Band nicht verschwunden, aber sie waren ausreichend genug zurückgegangen. Die neue kongeniale Atmosphäre ermöglichte es ihnen, ihr fünftes Album „Speaking In Tongues“ zu veröffentlichen. Und darauf zu finden ist der bahnbrechende Track „Burning Down The House“, mit dem damals viele zum ersten Mal mit den Talking Heads in Berührung kamen. Es war die erste Single und trotz der Ehrfurcht, mit der die Heads jetzt von den Institutionen der amerikanischen Popkultur gesehen werden, ist es erwähnenswert, dass „Burning Down the House“ ihre einzige Top-Ten-Platzierung in den US Billboard Hot 100 bleibt und auf Platz neun steht. In Kanada und Neuseeland erreichte sie ähnliche Chartpositionen. 

Paradoxerweise hat es der Song in die Charts in Großbritannien überhaupt nicht geschafft, obwohl der britische Musikmarkt den Talking Heads historisch viel sympathischer gegenüberstand („Once in a Lifetime“ und auch „Remain In Light“ waren dort bescheidene Erfolge). Kurz nach der Veröffentlichung wurde es zu ihrem kommerziell erfolgreichsten Album und leistete wohl einen großen Beitrag dazu, dass ihr folgendes Studioalbum „Little Creatures“ zum meistverkauften ihrer Alben wurde. Wie ist das fünfte Studioalbum der Talking Heads nach dreißig Jahren zu verstehen – als Sprungbrett für ihren schrittweisen Erfolg oder als das erste Anzeichen, dass eine einst so großartige Band vor drei Jahren ihren kreativen Höhepunkt erreicht hatte? 

Man kann alternativ auch „beides“ sagen. Die neun Songs von „Speaking in Tongues“ zeigen die gleiche Präzision und das gleiche Flair in bemerkenswerter Qualität. Oberflächlich gesehen ist „Girlfriend Is Better“ eine messerscharfe, unkomplizierte Nummer, die durch Byrne’s lebhaftes Prahlen und durch die Art von schnellen, zickzackenden Synths, die auf Rap- und Funk-Platten so häufig zu hören sind, gestützt wird. Die Komplexität aller Songs hindert sie jedoch nicht daran, großartige Tanzstücke zu sein. Sie alle sind in einem geschickten, aber elastischen Rhythmus verwurzelt. Es war zugleich das erste selbstproduzierte Album der Band und glänzt durch eine erfrischende Leichtigkeit. Die Beats in „Speaking In Tongue“ sind hypnotisch, die Synthesizer dunkel, Byrne’s Stimme schwankt zwischen Paranoia und Hochgefühl und so war „Speaking In Tongue“ nach den beiden letzten Alben, die sie stilistisch in eine Ecke drängten, wie ein offenes Fenster, durch das die Talking Heads 1983 hindurchflogen.

9.4