KEYS ist praktisch zweimal dasselbe Album, zuerst in „aufgeschlüsselten“ Original Versionen und dann Versionen, die als „unlocked“ bezeichnet werden und bei denen Mike Will Made It mit ALICIA KEYS als Co-Produzent tätig war.
Letzten Monat gab Alicia Keys einem Frauenmagazin ein Interview, in dem sie über Ihr Leben während der Pandemie erzählte. Jeder, der es in den letzten zwei Jahren schwer hatte, sich zu motivieren – zuerst gelähmt durch den Lockdown, dann geplagt von dem Gefühl, dass es angesichts der aktuellen Lage der Welt keinen Sinn macht, etwas zu tun – kann erfreut sein zu erfahren, dass sich die Sängerin in einer ähnlichen Lage befand. Auf die Frage, ob die ganze Zeit zu Hause ihre Kreativität beflügelt habe, sagte sie, das sei überhaupt nicht so gewesen. “I didn’t even know how to work. What was I supposed to work on? Where was I supposed to work? And when? It was so much of making sure everything was organised and the kids were good.”
Ganz untätig war Alicia aber dann doch nicht. Sie veröffentlichte eine Autobiografie, präsentierte ihre eigene Marke „skincare and wellness“; eine gemeinsame Single mit Brandi Carlile, die die Menschen zum Wählen aufrufen sollte und promotete eine Ausgabe zum 20. Jahrestag ihres Debütalbums „Songs in A Minor“; leitete in Zusammenarbeit mit Deepak Chopra ein 21-tägiges Online-Meditationsprogramm; spielte in ihrer eigenen YouTube-Dokumentation zusammen mit ihrem Ehemann Swizz Beatz; trat in Werbespots für Mercedes-Benz und die US-Versicherung Allstate auf und kündigte ihren ersten Graphic Novel an.
20 Jahre nach ihrem atemberaubenden Debüt scheint Alicia Keys produktiver denn je zu sein. Dieses achte Studioalbum erscheint innerhalb von 14 Monaten nach ihrem siebten und hat ein ehrgeiziges übergreifendes Konzept. Bestehend aus einer Seite sogenannter „Originals“ und einer anderen mit „Unlocked“-Remixen vieler derselben Songs, ist es eine Doppel-LP mit einer epischen Laufzeit von 93 Minuten – selbst die jüngsten Bemühungen von Drake können damit nicht mithalten. Obwohl nichts so einprägsam ist wie die Klassiker „If I Ain’t Got You“ und „Fallin“, sind ihre Melodien unbestreitbar schön. „Love When You Call My Name“ hat diesen zeitlosen Vibe, den Keys so gut kann, während das wirbelnde Liebeslied „Billions“ wirklich berührt.
Leider mangelt es der ersten Hälfte etwas an Abwechslung. Die „Unlocked“-Seite hat dagegen mehr Textur, zum Teil dank der eleganten Features von US-Schnulzensänger Khalid, der Keys süß auf „Come for Me“ ergänzt, oder durch Rapper und Sänger Swae Lee, der auf der schwülen Single „Lala (Unlocked)“ glänzt. Koproduziert von Keys mit Kanye West und Beyoncé-Kollaborateur Mike Will Made It, sind die meisten „Unlocked“-Versionen flotter als die „Originals“, ohne radikal anders zu sein. Die überraschenden Highlights sind „Daffodils“, das durch seinen stampfenden Industrial-Beat in einen viel dunkleren Song verwandelt wird und „Old Memories“, das sich zu einem schimmernden Juwel erhebt und einer frühen Whitney Houston würdig ist.
Das Konzept eines Albums, bei dem die eine Hälfte, wie Keys es bei TikTok formulierte, “laidback piano vibes” gewidmet ist, wird durch eine federnde, glatte Produktion überzogen und wirkt wie eine Schicht glänzende Ganache. Es ist keine Kritik, nur eine Überraschung. The Originals bekräftigen Keys‘ Verbindung zum Soul der Sechziger und Siebziger, während sie sich dem Jazz näher als je zuvor anlehnen. Das Unlocked-Geschwister nimmt die Energie mit zusätzlicher Elektronik auf. Entscheidend ist, dass dies geschieht, ohne dieses benebelte, schwindelerregende Gefühl loszulassen. Zurück bleibt ein Album, das weniger über die grenzenlose Kreativität von Alicia Keys aussagt als über die Kunst des Plattenproduzenten und die Grenzen dieser Kunst, die einen durchschnittlichen Song überdurchschnittlich verbessern können.
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