Nite Jewel – Liquid Cool

ElectronicSynth Pop, VÖ: Juni 2016
NITE JEWELs erklärtes Ziel, „the theme of aloneness in a crowded and disconnected world“ zu erforschen, sind die Unschärfe und das Hell-Dunkel des Cover-Artworks von LIQUID COOL ziemlich treffend.

Im Jahr 2012 sollte „One Second of Love“ der Durchbruch von Nite Jewel werden. Unter diesem Namen hatte Ramona Gonzalez ein herausragendes Repertoire an elektronischem Pop aufgebaut, das sie entweder selbst veröffentlichte oder auf kleinen, unabhängigen Labels wie Italians Do It Better herausbrachte. Für „One Second of Love“ unterschrieb sie jedoch bei Secretly Canadian für ihr bisher kommerziell erfolgreichstes Album, das Pop-Ambitionen mit eleganterer Produktion und R&B-Melodien der 90er Jahre enthält. Der erhabene Titelsong der Platte wurde zu ihrem bekanntesten Werk, eine hypnotische und verführerische Meditation über die Flüchtigkeit der Liebe. Soweit es die Öffentlichkeit betraf, hatte Nite Jewel endlich ihren Moment.

Hinter den Kulissen war der Prozess jedoch voller Frustration und Aufruhr. In einem ausführlichen Interview erklärte Gonzalez, dass sie und das Label sich selten einig waren und dass sie den Druck verspürte, ihren Sound auf eine Art und Weise zu verändern, die ihr unangenehm sei. „Their version of pop is so unusually different than mine“, erklärte Gonzalez über ihr ehemaliges Label. „They’re dealing in Americana and I’m dealing in electro. Like, where are we meeting here“ Dieses grundlegende Missverständnis in Verbindung mit dem, was sie als sexistische Machtspieldynamik mit Führungskräften bezeichnete, führte dazu, dass sie sich vom Label trennte und in die Unabhängigkeit zurückkehrte. 

Aufgrund dieser Erfahrung dauerte es vier Jahre, bis sie ihr Nachfolgealbum „Liquid Cool“ fertig stellen konnte. Von der grüblerischen Einleitung und den funkelnden Synthesizern des eröffnenden Stücks „Nothing But Scenery“ bis hin zu den hallenden und flüsternden Gesängen, die in „Boo Hoo“ eingebettet sind, bringt Ramona Gonzalez die hypnotischen, von Trance durchdrungenen Melodien, die durchweg von Zartheit durchzogen sind, durchweg auf den Punkt. Ständige Tempowechsel von Track zu Track tragen dazu bei, dass die Songs nicht zu einer transzendenten Reise verschmelzen.

„Running Out Of Time“, der vorletzte Titel auf „Liquid Cool“, ist mit knapp sechs Minuten der längste der Platte. Unheimlich in seinen elektronischen Elementen, wird Gonzalez‘ Gesang immer einsamer und hallt durch den ganzen Song: „I’m run out of time.“ Während Gonzalez zwar immer noch nicht die perfekte Balance zwischen ihren experimentellen Neigungen und unbestreitbaren Popfähigkeiten gefunden hat, nutzt „Liquid Cool“ die Stärken ihres Debüts und „One Second of Love“ zu ihrem bisher beständigsten Album.

6.9