Munch Munch – Double Visions

Rock, VÖ: November 2010
Schlaf ist eine grausame Geliebte. Während wir uns im Tiefschlaf meist unter die Bettdecke verziehen, haben MUNCH MUNCH einen Großteil Ihres verrückten Debüts in den tiefen Nächten – versunken in selbstinduzierten nächtlichen Geistesergüssen – aufgenommen.

Der Name Munch Munch klingt eigenartig, aber auch faszinierend und auf seltsame Art und Weise betörend. Er umfasst viele dieser Eigenschaften, ohne sich dabei physisch greifen zu lassen. Vielmehr entgleiten uns die markanten Merkmale, verstecken sich und wollen in Ihrer Einzigartigkeit nicht getrennt werden. Doch ist es nicht nur der Name, der künstlerisch alle Freiheiten für sich gewinnen kann, sondern auch der darin befindliche Inhalt. Mit dem Begriff „Double Visions“ bekommen wir schließlich doch etwas greifbares zwischen die Finger geworfen und dämlich bezeichnet sich jener, der ohne vermeintliche Gegenwehr diesen kostbaren Schatz durch seine Hände entgleiten lässt. Der Wille muss vorhanden sein.

Erst dann beginnt das Herz zu hüpfen, während süssliche und herzzereißende Melodien unsere Aura beleuchten und uns anschließend mit auf eine Reise durch atemberaubende Spiritualitäten nehmen. Vieles geschieht dabei in unseren Köpfen, eine geistige Verbindung entfaltet sich zum Transzendenten und die Aufhebung von Endlichkeit scheint nur noch ein paar Schritte entfernt zu liegen. Doch bis dahin durchschreitet man eine explosive Mischung aus energiegeladenen Farbkombinationen, während man verzweifelt nach vergleichen sucht. Sind es Animal Collective? Oder Fleetwood Mac? Vielleicht aber auch die Sparks?

Eigentlich lassen sich Munch Munch nicht vergleichen, dafür hat die persönliche Herangehensweise in sympathischer Naivität eigene Pfade bestritten und darf sich nun schlicht und ergreifend mit dem Prädikat Einzigartigkeit schmücken. So viel Lob bereits zu Beginn einer Rezension? Große Momente erfordern nunmal große Worte. „Double Visions“ entstand aus der Feder einer Band aus Bristol, England. Eigentlich wollte sich die Gruppe auch mal „Jesus Sex Party“ nennen, doch hätten sich wohl die Chancen auf ein amerikanisches Visum damit erheblich minimiert. „We just wanted something really dynamic, and someone said ‚munch munch banana‘ and we just cut the banana off. We didn’t realise that we would keep doing stuff. It was just stuff me and Rich were doing on our laptop, we just had to give it a name when we made the MySpace page“, merkte die Band jüngst in einem Interview an.

Ihre Musik auf „Double Visions“ hat mit dieser Art der Ideenumsetzung nur wenig gemeinsam. Überhaupt befinden wir uns in diesen Minuten an einem entfernten Platz, wenngleich die Endlichkeit noch Ihre klaren Konturen um unsere Schatten wirft. Doch warum können wir diesen Umständen nicht entfliehen? Es fehlt noch die abstrakte Vorstellungskraft, die mentale Entwicklung auf ein bestimmtes Objekt und spätestens im fünften Stück „Autumn Mask“ ergründen wir die Tatsache für die ominöse Verspätung in glückseliger Atmosphäre: Es umgibt uns seit Beginn von „Double Vision“ eine merkwürdige Verzerrung. Die Zeit spielt in differenzierten Einheiten, zieht Ihre Minuten doppelt im Ziffernblatt auf und erzeugt nun eine gänzliche Deutlichkeit dafür, warum die Unendlichkeit eine scheinbare Zeitverzögerung als Nebeneffekt mit sich brachte.

Aber hat man sich mit den neuen Umständen erst einmal angefreundet, ist auch das Warten zu einer schönen Beschäftigung geworden, die mit „Wedding“ sogleich Ihren euphorischen Höhepunkt erlebt. Im rasanten Tempo überfliegen wir traumwandlerische Rhythmen und landen fast vor dem Ende bei „Wolfman’s Wife“. Eine Nummer deren Dramaturgie kaum zu überbieten ist. Die innerliche Anspannung steigt plötzlich in schwindelerregende Höhen, wir machen uns bereit, wissen nun um den einen ganz besonderen Moment, winken kurz zum Abschied auf eine wunderbare Zeit und endlich, wir hätten es bis zum Schluss nicht für möglich gehalten, steigen wir in luftige Höhen. „River Gleams“ wischt uns sämtliche Zweifel kompromisslos aus dem Gesicht und ehe wir uns versehen, verklingen die letzten Takte und eine finstere Dunkelheit umschließt sämtliche Lichtblicke, es wird ganz still, die Augen wurden angstvoll verschlossen. Aber was wird uns erwarten? Und für diese Antwort wagen wir es und öffnen behutsam unsere Augen für einen ersten zaghaften Blick…

10.0