PRAY FOR ME I DON’T FIT IN klingt fast durchgehend, ohne eine Atempause einzulegen, wie eine Karnevalsband, die beschlossen hat, ein Coveralbum mit Industrial-Rock-Klassikern der 90er zu machen. Vermutlich haben MELT YOURSELF DOWN nicht auf diesen Einfluss gesetzt. Aber gewollt oder nicht, dort landen sie. Dies ist ein aufregender Mix, obwohl es manchmal nervig werden kann.
Produziert von Ben Hillier (Blur), lässt das Sextett den Jazz hier so gut wie hinter sich, während der Saxist/Bandleader/Arrangeur Pete Wareham tief in ekelhafte, vulgäre, hässliche und formal konstruierte Songs mit halb gesungenen/halb geschrieenen englischsprachigen Gesängen eintaucht. Es ist auch nicht immer klar, was Bandleader Pete Wareham in den stürmischen Momenten singt und schreit, aber es ist genug hörbar, um eine gute Vorstellung davon zu bekommen: “My best friend said I’m not black enough, my neighbour said I’m not woke enough.” Der Text stammt aus dem Titeltrack, der sich anhört, als wären die Talking Heads auf einem puertoricanischen Karneval zum Punk geworden. Es eröffnet ein Album, dessen Energie selten nachlässt. Hier trifft sodann eine schmutzige, polternde Bassline auf doppelt getaktete Drums, Gaya’s Gesänge und Wareham’s Saxophonspiel. Synthesizer und Loops rahmen einen afro-lateinischen Karnevals-Groove ein, der brüllt und sich dann wieder zurückzieht.
Es ist Musik, die sich ganz nach dem Moment anfühlt, sich windet, aber ihre Kraft ist weniger euphorisch oder hypnotisch als vielmehr kathartisch. „Pray for Me I Don’t Fit In“ fühlt sich oft so an, als würde etwas Angestautes freigesetzt und wirkt zugleich wie der Soundtrack eines ungedrehten Cyberpunk-Films und verfeinert den treibenden rhythmischen Kern ihrer früheren Aufnahmen mit einer elegant aggressiven, messerscharfen Präzision. Intelligente Produktion verleiht den dicht geschichteten Elementen einen eigenen Raum und erzeugt gleichzeitig einen verworrenen, dickichtartigen Effekt, der simuliert, wie es sich anfühlen könnte, von einem Saxophonsolo eine Gehirnerschütterung oder von einer Basslinie die Beine weggerissen zu bekommen. Die Jazz-Wurzeln von Melt Yourself Down tauchen für einen Moment im pointillistischen Bläser-und-Bass-Wechselspiel „Sunset Flip“ auf, während Wareham ein atonales Mini-Solo liefert.
Das Intro von „Ghost on the Run“ klingt wie ein Outtake von „Konono No. 1“ Die kraftvollen Bläserobertöne fordern Gaya zur Dominanz heraus. Die Band rast über scharfen Afrobeat, synthischen Industrial Rock und durchgeknallten Post-Punk und lässt die Melodie in eine Orgie aus Rhythmus, Lärm und Obertönen explodieren. Trotz all seiner aufrührerischen Musik, wütenden Klanglandschaften und rhythmischen Wahnsinn ist „Pray for Me I Don’t Fit In“ wunderschön produziert, schelmisch in Szene gesetzt und fachmännisch aufgeführt.