MARISA ANDERSON sagte einmal, dass das Tempo ihrer Musik dem Tempo von Schritten oder dem Schlag eines Herzens folgt. Trotzdem fühlt sich STILL, HERE sehr lebendig an.
In Zeiten der Ungewissheit können wir auf die Musik zurückblicken, die Marisa Anderson spielt – Folk, Blues, Gospel – um uns zu beruhigen. Aber das Unbehagen mischt sich auch in diese schönen Lieder ein. Anderson fängt diese Verbindung von Einsamkeit und Stress, von Schönheit im Moment und Angst vor dem, was als nächstes kommt, auf eine Weise ein, die die letzten paar Jahre sehr deutlich widerspiegelt. Wie viele begabte Spielerinnen, die so auf ihr gewähltes Instrument eingestellt sind, nutzt sie die Gitarre als Medium, um vergängliche Gedanken einzufangen und die Informationen ihrer inneren und äußeren Realität zu sortieren. Nach ein paar inspirierenden Paarungen – zuerst mit dem Schlagzeuger Jim White, dann mit dem Gitarristen William Tyler – kehrt Marisa Anderson zur Soloarbeit auf dem schlendernden und weiträumigen „Still, Here“ zurück.
Ähnlich wie ihr letztes Soloalbum „Cloud Corner“ aus dem Jahr 2018, spielt „Still, Here“ wie der Soundtrack zu einem langen, einsamen Spaziergang. Ab und zu staubig, feucht, hügelig, schmal und klaffend, ist es sinnliche Musik zur Wegfindung und zum Einfangen von Ideen. Anderson’s Palette ist stimmungsvoll in der Präsentation, aber organischer Natur, da sie eine Vielzahl von Gitarren kombiniert – trockene, tote Akustik, gedämpfte Klassik, dunkle Elektronik – mit Gewürzen aus akustischen und elektrischen Klavieren. Eine Hälfte des Albums besteht aus traditionellen Liedern, die jedoch keine Worte haben. Stücke wie „Waking“ und „The Crack Where the Light Gets In“ sind kompakt und bedacht, mit klaren Linien aus Melodie und Form. Manche sind erhebend, andere melancholisch; ihre Gemeinsamkeit liegt nicht in einem emotionalen Tenor, sondern im Gefühl zielgerichteter Bewegung.
Die anderen Stücke sind eher wie Erkundungsmissionen, die nicht durch das Versprechen eines Ziels motiviert sind, sondern durch den Impuls, einfach zu sehen und zu hören, was da draußen ist. Wenn man sich „The Low Country“ oder „Night Air“ anhört, bekommt man das Gefühl, dass Anderson ihre Ideen ausarbeitet, während sie sie aufnimmt, Phrasen ausprobiert und sie dann verfeinert oder beiseite legt. Wie der Schlusssong „Beat the Drum Slowly“ ordentlich demonstriert, gibt es hier Dramatik und Dunkelheit, aber auch Optimismus. Der Gesamteindruck ist der eines kraftvollen und zum Nachdenken anregenden Albums von Schönheit und Tiefe.