Maria BC – Hyaline

Ambient, VÖ: Juli 2022
HYALINE ist eine schöne Platte, aber diese Zeilen spielen auf eine Unterströmung des Horrors an – die Qualität, die MARIA BC zusammen mit ihrer subtil eingängigen Songkunst von anderen Künstlern und Künstlerinnen unterscheidet, die verträumten Ambient-Pop im Schatten von Grouper und Cocteau Twins machen.

Maria BC ist eine klassisch ausgebildete Sängerin, eine geschickte Gitarristin und eine Songwriterin mit einem angeborenen Talent für gewaltige, stattliche Melodien, aber die bestimmende Stärke ihrer Musik ist die Stimmung: eine allumfassende Melancholie, die alles wie schwere Sturmwolken überschattet. Die Debüt-EP der in Oakland lebenden Künstlerin, „Devil’s Rain“, erschien mitten im Winter 2021, und ihre fünf Songs – die ausschließlich aus E-Gitarre und Gesang bestehen, wurden allein und in gedämpfter Stimmung in ihrer Wohnung aufgenommen, um ihre Mitbewohner nicht zu stören. Sie verströmte das Gefühl einer abgespeckten Demo-Sammlung einer Dream-Pop-Band aus den 1980er Jahren. Ihr Debüt „Hyaline“ erweitert ihren Ansatz nicht. Stattdessen dekonstruiert und verdreht Maria BC die Musik weiter, um diese noch dampfender zu gestalten.

„Hyaline“ fühlt sich jedoch nicht besonders ehrfürchtig oder übermäßig einstudiert an – stattdessen vermeidet es aktiv tröstlichere oder traditionellere Songstrukturen. Es ist diffus bis zum Punkt der Offenbarung. Es ist ein Album, in das man hineinsinken und sich von ihm leiten lassen kann. Das Beeindruckendste an „Hyaline“ ist aber letztendlich, dass es der Platte gelingt, eine sehr charakteristische Stimmung zu vermitteln, die unbequem zwischen ruhig und bedrohlich eingeklemmt ist und sich damit von Künstlern und Künstlerinnen wie Grouper, Sea Oleena, Emma Ruth Rundle oder Darkher abzuheben. Das Eröffnungsstück „No Reason“ ist kurz, aber schön. Mit engelsgleichen Gesängen vor einem leicht bedrohlichen Hintergrund legt es die Grundlage für die Stile, mit denen Maria BC auf dem gesamten Album spielt. Die Songs sind normalerweise sanft und leicht, bauen auf sanften Folkmelodien auf, sind aber durch Field Recordings oder subtil aggressive Arrangements durchzogen, die dem Geschehen einen mystischen Hauch verleihen.

Das Wort „Hyaline“ bedeutet transparent, und während die Tracks auf Maria BC’s Debüt oft eher bedeckt als azurblau sind, werden sie durch eine ätherische, himmlische Qualität zusammengehalten. „Reeling in the big one/Shimmer in cerulean“, singt sie auf „Rerun“ über unverblümten E-Gitarren-Arpeggien. Auf „The Only Thing“ bilden digital manipulierte Percussion und gedämpfte Streicher eine melancholische Kulisse für eine hochfliegende, melodisch faszinierende Hook. Auf „Keepsakes“ versucht sich Maria BC in hypnagogischem Pop, indem sie ausgeblasene analoge Synthesizer-Akkorde und einen kaum wahrnehmbaren Drumcomputer paart. Der fesselndste Moment des Albums kommt mit „No Reason“: „Life is heavy, begging to be moving“, singt Maria BC träge – ihre klassisch ausgebildete Mezzosopranstimme beschwört sowohl Radio-Emo der 00er als auch traditionelle keltische Musik herauf.

Mit „Hyaline“ hat Maria BC ein bleibendes Kunstwerk geschaffen, das zumindest für eine Weile wohlwollend im Langzeitgedächtnis ihres Publikums umherschweben wird. Während die Songs ihr Durchhaltevermögen von nun an den Test der Zeit bestehen müssen, fühlt sich das Album hier, in diesem Moment, packend und herrlich beruhigend an.

8.5