Maarja Nuut and Ruum – World Inverted

ElectronicExperimental, VÖ: September 2020
Das Flüstern am Boden in Tallinn führte uns zu den magischen Klängen der estnischen Ureinwohner Maarja Nuut und Hendrik Kaljujärv.

Der Kontrast zwischen Nuut’s traditionellen Folk-Neigungen und Ruum’s reichhaltigen elektronischen Texturen war auf Ihrem Debüt faszinierend und erzeugte einen mystischen Klang, der uns beruhigte und nervös zugleich machte. Auf ihrem neuen Album „World Inverted“ (die Fortsetzung von „Muunduja“ aus dem Jahr 2018), liefern die beiden das gleiche angespannte Muster aus sprudelnden Synthesizern, ätzenden elektronischen Schreien und wirbelnden Sirenenrufen, jedoch mit größerem Fokus und kühneren Widersprüchen. Auf diese Weise ist jeder Track seine eigene Odyssee.

Nuut hat viele Dinge um sich herum verändert und das alte Zitat von Clement Greenberg umschrieben: “to change your art you need to change your habits.” Natürlich ändert sich jeder im Laufe der Zeit. Aber als langjährige Kritikerin ihrer eigenen Arbeit scheint es, dass Maarja Nuut es irgendwie geschafft hat, viele der Entscheidungen, die sie in ihrem täglichen Leben getroffen hat, in ihre Kunst zu lenken, was diese Arbeit gewagter und selbstbewusster macht. Die Veränderung zeigt sich hauptsächlich in der stetigen Verlagerung von der Solokünstlerin hin zu einer experimentierfreudigen Kollaborateurin – in diesem Fall mit dem Klangkünstler Ruum.

Die beiden scheinen einen unausgesprochenen Pakt geschlossen zu haben, um so weit wie möglich in die Räume zwischen ihren musikalischen Hintergründen zu gelangen. Tatsächlich ist das Hören dieses neuen Albums manchmal vergleichbar mit dem Schwimmen auf See und dem Vertrauen in die Strömungen. Diejenigen, die die dramatischen Veränderungen in Textur und Ton ihres Debüts genossen haben, müssen etwas anderes finden, an dem sie sich festhalten können. Beide sind Perfektionisten mit einem tiefen Verständnis für ihr jeweiliges Handwerk, aber „World Inverted“ ist voll mit einem Gefühl der Befreiung und zerstört frühere kreative Annahmen.

Dieses neue Album ist weniger ein akustischer Stil als vielmehr eine physische Trennung von der Welt. Dies ist kein Fehler – Maarja Nuut und Ruum beschreiben ihre Musik wie folgt: “every power has its opposite, and each world has its own world inverted. Our aim is to place these two opposites in one body.” Und so erschaffen die Beiden auf „World Inverted“ einen reichhaltigen Wandteppich aus Texturen und Stimmungen, die gleichzeitig eindringlich und hoffnungsvoll, unschuldig und bedrohlich wirken.

 

8.2