Auf ihrem Debüt beschäftigt sich die britisch-französische Experimentatorin LAUREN AUDER mit Körper und Geist in Kompositionen, die so hell und kunstvoll sind, dass sie wie eine umgekehrte Version von Gothic-Pop wirken.
Vor ein paar Monaten konnte Lauren Auder ihre Beine vorübergehend nicht mehr bewegen. Als zwei Bandscheiben aus ihrer Wirbelsäule rutschten und einen Nerv einklemmten, konnte die in London lebende Sängerin einen Monat lang nicht mehr laufen. Dennoch kam sie nicht umhin, das Gefühl zu haben, dass sie die Verletzung irgendwie heraufbeschworen hatte. Das Debütalbum der britisch-französischen Songwriterin „the infinite spine“ ist voll von solchen körperlichen, medizinischen Bildern und thematisiert direkt den Schmerz und den Druck des Daseins in einer physischen Form.
„I have this huge scar on my back“, sagt Auder und hebt ihr weißes Westenoberteil an, um einen erhabenen dunkelrosa Fleck in der Mitte ihres unteren Rückens freizulegen. „It’s funny how it comes together this way because it was all very much part of the aesthetics and the lexicon of the album. That’s the thing with making sigils in these big works“, scherzt sie, während sie auf einer sonnenüberfluteten Bank im Abney Park von Stoke Newington sitzt, dem Friedhof, den sie an den meisten Tagen zum Nachdenken, Schreiben und zum Verbinden mit der Natur aufsucht.
Dass Auder so viel Zeit in dieser dramatischen viktorianischen Kulisse verbringt, fühlt sich angemessen an. Die Platte beginnt mit einer mutigen Erklärung der Verletzlichkeit auf „33 & Golden“. „I was born an open wound that only suicide could sew up“, intoniert Auder, wobei ihr reicher Bariton-Gesang eine bedrohliche Bläsersektion in den Vordergrund stellt. Das Album beginnt in den Abgründen der Dunkelheit und entfaltet sich langsam ins Licht, bevor es sich wieder um sich selbst dreht, ein unendlicher Kreislauf aus Rückschritt und Neuwachstum.
Selbstmordphantasien weichen schließlich der Behauptung, dass wir „all needed here“ und dass „time heals me and therefore will heal others“. Sowohl Lauren’s Stimme als auch die äußerst persönliche Thematik ihres Lebens und Übergangs sowie die Art und Weise, wie sie als Einheit wirkt, vermitteln ein Gefühl von Ernsthaftigkeit und Gewicht. „Hardly what they do to you / But how they make you feel like it’s deserved“, singt sie schmerzhaft beim Highlight „730kingfisher“; Am Ende ist „the infinite spine“ nicht immer einfach anzuhören, dafür aber roh und schön.