Kimbra – A Reckoning

PopR&B, VÖ: Februar 2023
Die Bereitschaft von KIMBRA, die Dinge aufzurütteln, ist eine ihrer größten Stärken, und indem sie auf A RECKONING bis zum Äußersten geht, liefert sie einige ihrer gewagtesten und durchdachtesten Aufnahmen ab.

Auch wenn die Anhänger von Kimbra wissen, dass sie mit dem Unerwarteten rechnen müssen, beweist „A Reckoning“, dass sie immer noch überraschen kann. Während sie die Turbulenzen der frühen 2020er Jahre durch eine persönliche Linse betrachtet und Beziehungen, Identität und die Welt im Allgemeinen hinterfragt, schafft sie hier Stimmungen, die sich deutlich von allen ihren früheren Arbeiten unterscheiden. Die dröhnende und klingende Elektronik, die den introspektiven Eröffnungstrack „Save Me“ antreibt, hat mehr mit Homogenic oder Kid A gemeinsam als die meisten von Kimbra’s eigener Alben, während die explosiven Ausbrüche von „gun“ deutlich machen, dass sie bereit ist, alles zu zerreißen und nochmals zu beginnen. Kimbra durchlebte einige harte Zeiten, nachdem aufgrund des massiven Erfolgs von Gotye’s „Somebody That I Used to Know“ alle Augen auf sie gerichtet waren. Sie war noch nicht bereit, ein Popstar zu werden, und ihre Musik passte auch nicht zu den Trends. 

Als sie mit „The Golden Echo“ im Jahr 2014 nach und nach ein breiteres Spektrum an Stilen annahm und alles zu einer eklektischen Klangmasse verschmolz, öffneten sich neue Türen. Bei diesem neuesten Werk kombinierte Kimbra einerseits Hip-Hop und gelegentliche Trap-Beats mit glitzernden, atmosphärischen Klanglandschaften, die von Ambient bis hin zu ergreifenden synkopierten Rhythmen mit verschiedenen sequenzierten Bits reichen. Sie achtete auf aktuelle elektronische Musiktrends und fusionierte diese mit zuvor selbst entwickelten Klangmischungen. Das Album beginnt mit „save me“, einem Schlaflied im Stil von Björk, das als Kapitulation dient, bevor es in die chaotischen, pulsierenden Beats von „replay!“ übergeht. In „A Reckoning“, erklärt sie, dreht sich alles um Konflikte und Wut. 

Es ist ein sehr persönliches Werk, das sich von Balladen zu Songs bewegt, die auf den ersten Blick unbeschwert wirken, aber leise ein tiefes emotionales Gewicht haben. Im Kern jedes Songs brennt eine „fiery rage that quite honestly lives in me and has been something that I’ve been trying to tame“, reflektiert sie. Und wenn sie am Ende des Albums zur Selbstbeobachtung zurückkehrt, zeigt dies die wachsende Reife ihres Songwritings. „foolish thinking“, ein Duett mit Ryan Lott von Son Lux, ist eine sanfte Meditation darüber, wie Schmerz zu Wachstum führen kann. Noch besser ist „i don’t want to fight“, wo sie ihre Worte und ihren Gesang eindringlich einfach hält. So untröstlich und satt sie auch auf weiten Teilen von „A Reckoning“ klingt, Kimbra schafft immer noch Platz für verspielte Songs und Sounds. Es ist kein Zufall, dass es in einem der am heißesten klingenden Songs, „personal space“, darum geht, sich Zeit für sich selbst zu nehmen.

Obwohl R’n’B bei „A Reckoning“ in den Hintergrund tritt, bleibt ihr Gesang im jeweiligen Genre verwurzelt. Auch finden sich weiterhin überall beträchtliche rohe Emotionen, sei es Wut, Traurigkeit, Anspannung oder Glück. Die Platte schafft es, ein starkes Bild davon zu vermitteln, wo sie sich derzeit als Künstlerin befindet und schafft gleichzeitig Raum für Wachstum.

7.9