Kelis – Food

R&BSoul, VÖ: April 2014
KELIS verlässt die EDM-Rakete, mit der sie auf ihrer letzten Platte Flesh Tone geritten ist, zugunsten weltlicherer Freuden.

Auf „Food“ ist mal wieder alles anders, als was Kelis zuvor getan hat. Es ist in erster Linie eine Soul-Platte, bei der die meisten Songs in starken Blechbläser-Arrangements und subtilen Synthesizer-Schnörkeln verwurzelt sind. Wichtig ist, dass Kelis’ ausdrucksstarke Stimme zum ersten Mal überhaupt diese Motown-ähnlichen Hits befehlen darf, als hätte sie es ihr ganzes Leben lang getan. Die erste Single „Jerk Ribs“ dokumentiert diese Neuerfindung mit Texten darüber, wie man in allen Dingen des Lebens musikalische Inspiration findet. Über einem Track mit hochenergetischem Hornspiel und einer organischen Dancehall-Rhythmussektion schreit alles an diesem Track nach Authentizität. Es ist fast eine Schande, dass es so lange gedauert hat, bis Kelis ihr stärkstes musikalisches Ventil gefunden hat. „Food“ zeigt Kelis in ungewöhnlicher Form – zerlumpt, kratzig, irgendwo zwischen erschöpft von der Anstrengung und tief in Gedanken versunken. Es ist definitiv nicht der harte, schüchterne, trotzige, unabhängig denkende Arschtritt, den ihre hochkarätigen Gesangsdarbietungen berühmt gemacht haben.

Die Tracklist von „Food“ – „Biscuits n‘ Gravy“, „Jerk Ribs“, „Friday Fish Fry“ – scheint in Bezug auf das Thema übertrieben, aber es ist weniger unangenehm, als man befürchten würde. Nur ein lateinamerikanisches Lied übertreibt die Salsa: Passenderweise ist das „Cobbler“ (in Amerika ist das ein Kuchen). Hauptsächlich ist das Essen eine gute Partykost voller Gefühl; Viele dieser Songs würden sich perfekt in eine Soul-Jazz-Zusammenstellung von Rhythm-and-Blues-Raritäten einfügen. Die Single „Rumble“ ist ein nörgelndes Keys-Riff, dazu gedämpfte Blechbläser, während Kelis über ihre Hausschlüssel singt. „You can’t escape the grips of desire,“ brodelt sie auf „Change“, einem weiteren Song voller dramatischer Bläser, jazziger Percussion und unheilverkündenden Glocken. Wir können unsere eigenen Schlussfolgerungen ziehen, aber die erbitterte Scheidung von Kelis im Jahr 2009 vom Rapper Nas war auf eine Untreue seinerseits zurückzuführen. Er hat ein Stück ihres Hochzeitskleides auf das Cover seines letzten Albums geklebt.

„Food“ ist das erste Album seit Jahren, das Kelis mit nur einem Produzenten zusammengebraut hat, was es schwierig macht, es in einer einzigen Sitzung zu verdauen – eine Mahlzeit mit zu vielen Gängen, die beinahe alle gleich schmecken. Einige der Songs bauen auf mehr als die Summe ihrer Zutaten auf, aber einige bleiben übrig, um zu schmoren und zu verpuffen, da ihnen der Funke selbst bei den langsam gekochten Jams von „Kelis Was Here“ aus dem Jahr 2006 fehlen. Es ist bezeichnend, dass der Song, der ihre heisere Stimme und die verliebten Themen des Albums am besten zur Geltung bringt, nicht einmal einer ihrer eigenen ist, sondern ein Cover von Labi Siffre’s 1971er Song „Bless the Telephone“. Sicher, die schweißtreibende Call-and-Response-Aufschlüsselung von „Friday Fish Fry“ wird jeden durstig machen, aber das Appetitlichste an „Food“ ist letztlich die Vorstellung, welchen Gang Kelis als nächstes servieren wird.

7.0