Katy Perry – Teenage Dream

Pop, VÖ: August 2010
TEENAGE DREAM lebt in einer schwebenden Animation, freut sich immer auf das Wochenende und geht nie zur Arbeit. KATY PERRYs zweites Album ist protzig, unkonventionell und furchtlos optimistisch.

Katy Perry liebt es, alte Filmstars wie Jane Russell und Liz Taylor als ihre größten Einflüsse zu nennen, und das hört man überall in ihrer Musik. Selbst wenn sie mit Snoop Dogg abgeht, kostümiert sie sich, als würde sie all ihre Modetipps von 62-jährigen schwulen Barkeepern in Palm Springs bekommen. Wenn Katy Perry in einer Ballade wie „Not Like the Movies“ ausflippt und über ihr tragisches Liebesleben schluchzend auf dem Boden liegt, steht sie in einer stolzen Tradition von Vorstadtmädchen, die ihre emotionalen Zusammenbrüche in Hollywood-Größe zelebrieren. „Teenage Dream“ ist die Art von Pool-Party-Pop-Juwel, die wir von Gwen Stefani kennen, voller Südstaaten-Atmosphäre und Disco-Beats. Es ist Perry’s letztem Album „One of the Boys“ in diesem Punkt meilenweit voraus, dass mit ihrem cleveren Songwriting und von Top-Dollar-Profis unterstützt wird: Dr. Luke, Max Martin, Tricky Stewart, Stargate. Im Stil von 2010 sind ihre Gesänge verarbeitete Staccato-Blips mit vielen Oh-oh-way-oh-Gesängen. Die Tracks sind schwer mit Achtziger-Beats und leichten Melodien vermengt, die tief in den Filter-Disco-House-Sound von Daft Punk eintauchen.

Die erste Single „California Gurls“ ist ein urkomisches Experiment in Sachen Gentechnik an der Westküste, in dem sich Brian Wilson’s Vanille-Fantasien mit Snoop Dogg’s augenzwinkerndem Gangsta-Geschwätz vereinen. Der Rest von „Teenage Dream“ bläst mal heiß mal kalt und wechselt Perry’s Küss-mich-schnell-Sensibilität mit der kommerziellen Sauerei ab, die für funktionierendes Kanonenfutter von Hit-Maschinen benötigt wird. Aber öfter fühlt sich „Teenage Dream“ altmodisch an, und das nicht nur wegen des weißen Mädchens mit Federschmuck im „Teenage Dream“-Video oder den angehängten lyrischen Klunkern. Ironischerweise ist es der frische Power-Pop von „One of the Boys“, der besser gealtert ist; der Versuch, es zu überbieten, klingt an vielen Stellen laut, eindringlich und komprimiert. Ihre christliche Hintergrundgeschichte taucht nur einmal in „Who Am I Living For“ auf, wo Perry die biblische Geschichte von Esther, der jüdischen Waise, die den persischen König heiratete und eine Verschwörung zur Vernichtung der Juden aufdeckte, aufgreift.

„Circle the Drain“ – das Perry vermutlich über ihren Ex, den „Billionaire“-Sänger Travie McCoy, geschrieben hat – ist sogar noch düsterer, ein Kuss an einen Rocker, der süchtig nach Pillen ist. Letztlich sehnt man sich aber nach Gwen Stefani, die digitalen Pop mit 50er-Jahre-Retro-Visuals viel besser umsetzte, oder nach der sexuellen Fülle von Kelis, deren „Milkshake“ zumindest den Anstand hatte, sowohl zu amüsieren als auch zu kitzeln.

5.6