Es ist geradezu aufregend, Zeugin einer Band wie JOCKSTRAP zu werden, die sich dafür einsetzt, Grenzen zu überschreiten und Musik zu schaffen, die anders ist als alles, was zuvor veröffentlicht wurde.
Das Londoner Duo Jockstrap hat seit seiner EP „Wicked City“ aus dem Jahr 2020 alle Erwartungen übertroffen, und so weit sich ihr Sound zusammenfassen lässt, tendieren Georgia Ellery’s schimmernder, kraftvoller Gesang und ihr sprudelndes Songwriting dazu, von Taylor Skye’s ambitioniert experimenteller Produktion aufgespießt und verzerrt zu werden. Jede Möglichkeit, die ihr frühes Material versprochen hat, kommt auf spektakuläre Weise in einem Statement in voller Länge zum Tragen, das unauslöschliche Spuren zu hinterlassen scheint. Die Eröffnungsmomente von „Neon“, in denen Ellery’s bloße Stimme von einer gezupften Akustikgitarre begleitet wird, verführen uns zu der Annahme, dass die schockierende Wendung des Albums darin bestehen könnte, dass es sich tatsächlich um eine Sammlung klassischer, traditioneller Melodien handelt: innerhalb einer Minute verwandelt sich jedoch alles. After-Hour-Beats ziehen uns in eine Unterwelt, und nichts ist mehr sicher. Der Track entwirrt sich weiter, Gitarren sägen schließlich durch unsere Trommelfelle, die Percussion transportiert uns zu einem schrecklichen heidnischen Ritual und Ellery’s Stimme ist plötzlich eine Notfallsirene. Solche Album-Opener hört man selten.
Sängerin Georgia Ellery stopft ihre Texte mit bizarren Bildern und Witzen voll. Wie bei ihrer anderen Band, Black Country, New Road, ist es manchmal schwer, die Ehrlichkeit herauszuhören. Diese Verschleierung ist Teil der Beschwerde. Ellery und Bandkollege Taylor Skye lassen ihre Songs instinktiv entstehen. Während das Debütalbum „I Love You Jennifer B“ nicht weniger experimentell als frühere Veröffentlichungen ist, fühlt es sich viel robuster und beabsichtigter an, wobei Jockstrap ihrer charakteristischen Verrücktheit mit gut konstruierten Hooks und dichten Sounds, die sich bei fast jedem Song ändern, neue Dimensionen hinzufügen. Georgia Ellery’s kontrollierte Gesangsdarbietungen führen die Songs durch ihre verschiedenen unterschiedlichen Formen, sitzen auf einem Potpourri aus Club-Drum-Beats der 90er Jahre und tanzbaren Synthesizer-Sounds auf „Greatest Hits“ und werden bis zur Unkenntlichkeit auf dem ausgeblasenen Push von „50/ 50“ zerhackt.
Highlight dürfte Glasgow sein, eine Hymne des Selbstbewusstseins, die irgendwo zwischen französischem Kino, Moloko und Fleetwood Mac angesiedelt ist. Das ab hier beginnende Finale fasst auf fantastische Weise die sich ständig ändernde, abstrakte Herangehensweise an Genre und Form zusammen, die das Album bietet. Als Ganzes beeindruckt „I Love You Jennifer B“ durchweg mit seinen scharfen Wendungen, vielfältigen Atmosphären und kühnen Klangmischungen.