Jessie Ware – What’s Your Pleasure?

PopSynth Pop, VÖ: Juni 2020
Die Komfortzone hat einen schlechten Ruf. Keine Künstlerin möchte als kreativ selbstgefällig oder konkurrenzlos gesehen werden, wie Taylor Swift einmal bemerkte: „Reinvent yourself but only in a way that we find to be equally comforting and a challenge for you“. Noch schlimmer ist es für ältere Musikerinnen, von denen erwartet wird, zu beweisen, dass sie immer noch genauso ehrgeizig sind wie ihre jüngeren Kollegen. Diese Dynamik spielt sich in JESSIE WAREs Karriere lebhaft ab.

Vom Pariser Chic von „Ooh La La“ bis zur Anziehungskraft von „Adore You“, die sich wie ein Pantha Du Prince-Track anfühlt und in sinnliche R&B-Melodien gehüllt ist, ist die Klanglandschaft dieses Albums ein Workout für die Sinne. „What’s Your Pleasure?“ ist das vierte Album von Jessie Ware und obwohl es auf einer völlig anderen Tanzfläche lebt, erinnert es an Lady Gaga’s „Chromatica“, die sie nach einigen kreativen Aussetzern wieder in den Eurodance zurückversetzte, der einst Ihren Namen formte. In ihrer frühen Ästhetik fand Gaga einen sicheren Ort, um ihren zuvor verborgenen Schmerz zu erforschen, obwohl Kritiker fragten, ob er zu ihrem ansonsten immer vorwärtsgerichteten Projekt überhaupt passen würde. Ware hat kein so starres Erscheinungsbild und schlüpft daher gebieterisch zurück in die Plüsch-Post-Disco-Ära. Scheinbar befreit von kommerziellen Erwartungen, ist der einzig wichtige Punkt, hier eine gute Zeit zu erleben.

„Read My Lips“ ist ein knisternder Knaller, der gar nicht anders kann, als nach Spaß zu klingen. Sicher, es mag oft in eine lange Stimmung übergehen, all die schimmernden 80er-Jahre-Synthesizer und Funk-Bässe, halb geflüsterte, anhaltende Gesänge und das Versprechen der kommenden Nacht, aber es ist trotzdem eine Stimmung. Letzter Titel „Remember Where You Are“ springt in die Musikgeschichte der Stadt zurück, mit samtigem Disco-Gospel, goldenen Gesangsharmonien und knisternden Instrumenten, während die Fantasie verblasst. “Why don’t you take me home?” Es ist eine ergreifende letzte Note. Die Komfortzone hat einen schlechten Ruf. Keine Künstlerin möchte als kreativ selbstgefällig oder nicht wettbewerbsfähig angesehen werden, ein Zustand, der für Frauen viel akuter ist, wie Taylor Swift einmal bemerkte: “Reinvent yourself but only in a way that we find to be equally comforting and a challenge for you.” 

Es ist noch schlimmer für ältere Musikerinnen, von denen erwartet wird, dass sie beweisen, dass sie immer noch so ehrgeizig sind wie ihre jüngeren Kollegen. Diese Dynamik spielt sich in Jessie Ware’s Karriere lebhaft ab. Ware hat sich und uns auch deshalb die Frage gestellt, ob die Menschen “want to hear about struggling mothers”. Pop sollte Platz für solche Themen schaffen, obwohl dies angesichts der Verwirrung der Branche darüber, was mit älteren Künstlerinnen zu tun ist, wohl noch lange ungeklärt bleiben wird.

 

7.5