IDER – shame

Indie PopPop, VÖ: August 2021
Jeder Hauch von Trostlosigkeit, der den Kern des Albums verwüstet, wird von einer offenkundigen Leidenschaft erfüllt und umarmt. Jedes einzelne Instrument, das von IDER verwendet wird ist auf menschlicher Ebene wirkungsvoll. Shame ist das Album, das IDER die Welt bedeutet, und das sieht man.

Die aufmerksame Freundlichkeit, mit der das Album beginnt, ist trügerisch, da „Cross Yourself“ zwar ein paar Nettigkeiten ausspricht, jedoch schnell laut dabei wird und wieder in sanfte Kaskaden synthetisierter Freude eintaucht. Unbehagen stellt sich ein, aber jede Stimmung des Duos wird in Selbsttherapie exorziert, was dazu führt, dass auch tropische Melodien wie in „cbb to b sad“ sich dem Hedonismus nähern, da Party-Rhythmen und sonnenbeschienene Synths nur als Treibstoff für die Tracks dienen. Nach wie vor sticht die mühelose Art und Weise hervor, mit der IDER harmonieren – einen Klang zu erreichen, der nicht gelehrt oder gelernt werden kann, aber dennoch harte Arbeit erfordert. 

Ihr Debütalbum „Emotional Education“ aus dem Jahr 2019 war ein triumphales Album, das auf ganzer Linie Anerkennung fand und Markwick und Somerville als unverzichtbaren Bestandteil der Musikszene etablierte. IDER schlagen auf „shame“ den gleichen Weg ein und liefern erneut eine Sammlung knallharter und gewissenhafter Songs, die sie als „a radically open exploration of acceptance“ beschreiben. Auf der anderen Seite deckt „Knocked Up“ ein Leben voller Unsicherheiten ab, wobei die Fähigkeit der beiden Freundinnen, als Songwriter zusammenzuarbeiten, einen absoluten Höhepunkt erreicht, wenn Somerville Bedauern aus ihrer Jugend offenbart und Markwick diese Verletzlichkeit tröstet. 

Die Schwierigkeiten monogamer Beziehungen werden auch auf „obsessed“ thematisiert, einem eingängigeren Song mit hallenden, verschwommenen Synths. Für ein Album, das durch einen abgebrochenen Umzug nach Berlin und die Auflösung von ihrem vorherigen Plattenlabel kompliziert wurde, scheint das Gefühl, Widrigkeiten zu überwinden, wirklich durch. In Bezug auf die Platte sagt Markwick: „this is the strongest we’ve felt in terms of our identity, our confidence, in saying what we want to say, and it sounding how we want to sound.“ Unnötig zu erwähnen, dass „shame“ all dies erreicht und dabei die Grenzen des Pops erweitert. IDER sind wieder bei dem, was sie am besten können, und geben ein schimmerndes Gefühl der Hoffnung, dass wir mit unseren Ängsten nicht allein sind.

7.9