Everything But the Girl – Fuse

Pop, VÖ: April 2023
FUSE ist bei weitem nicht so club-freundlich oder Single-getrieben wie die mit Hits gespickten Walking Wounded und Temperamental, aber es enthält die abenteuerlichste Produktion, die EVERYTHING BUT THE GIRL je verwendet haben.

„To sing is to pray twice“, sagte Augustinus von Hippo. Es ist eine eindringliche Zeile – die vielleicht das Wunder der menschlichen Hoffnung über jede Erwartung göttlicher Aufmerksamkeit feiert – die Tracey Thorn mit schmerzlicher Resonanz auf „Fuse“, dem ersten Album von Everything But the Girl seit 24 Jahren, zitiert. Es ist ein Album, das aus seiner eleganten Electronica eine Kirche kreiert: alle Wölbungen sehnsüchtiger Melodien und Schimmer von Buntglas, die nach oben tanzen, zum vertrauten urbanen Turm von Thorn’s schöner, hängender Stimme.

„I’ve always been an atheist“, schrieb Thorn in einer Kolumne, die im dritten Monat der Pandemie veröffentlicht wurde. Aber bei ihren täglichen Spaziergängen über einen Londoner Friedhof merkte sie, dass ihre Fragen und ihr innerer Dialog mit ihrer Mutter (die seit einem Jahrzehnt tot war) sich „a bit like prayers. How long, oh lord, how long?“ Vielleicht ist es seltsam zu sagen, aber Everything But the Girl hatten schon immer eine Art Lockdown-Stimmung, in der Art und Weise, wie ihre Musik Szenen von Großbritannien wie in einer seltsamen blau beleuchteten Suspension einzufrieren scheint.

Der schwere Bass und der Two-Step-Garage-Sprung zum Rhythmus des eröffnenden Tracks „Nothing Left to Lose“ versetzen uns direkt in die Post-Dubstep-Welt: ebenso die gespenstische Elektronik, die die Klavierballaden des Albums umweht, und das Zeitlupenartige „Lost“, dass mit hüpfenden Hi-Hats und verzerrten, körperlosen Samples von Thorn’s Stimme dekoriert wurde. Die gedämpften Töne von „Cauture To The Wind“ und die Verzerrungen von „Interior Space“ erinnern an den Lo-Fi-House von Ross von „Friends“ oder DJ Seinfeld. 

Auf „When You Mess Up“ wird Thorn’s Stimme durch einen Auto-Tune-ähnlichen Effekt gespeist: nicht der vertraute, der Schwaden zeitgenössischen Pops einen androiden Glanz verleiht, sondern etwas Dramatischeres, das eine der sofort erkennbaren Stimmen des Pop völlig unkenntlich macht. „Time And Time Again“ bewegt sich in Pop-Aspekten der 80er Jahre und erinnert manchmal an ihre Kollegen in der niedergeschlagenen britischen Musikalität Pet Shop Boys. 

Das Album endet mit dem langsamen Knirschen von „Karaoke“, bei dem sich Thorn fragt: „Do you sing to heal the broken hearted? Do you sing to get the party started?/ You know I try…“ Es ist ein Gebet für die Verbindung zum Publikum, das in einem Fingerschnippen endet. Amen.

8.5