Emeli Sandé – Let’s Say For Instance

Pop, VÖ: Mai 2022
EMELI SANDÉ verkaufte Millionen und behielt ihren Kurs bei, indem sie eleganten, nachdenklichen Soul-Pop mit interessanterer Kost ausbalancierte. Ihr viertes Studioalbum jedoch, obwohl es voller zeitgenössischer elektronischer Farbtöne ist, wandert stetig in die Mitte der Straße.

In vielerlei Hinsicht ist diese Platte für Emeli Sandé eine Herzensangelegenheit. Sie spielt nicht mehr das Pop-Spiel wie auf ihrem überaus erfolgreichen Debüt „Our Version Of Events“, sondern hat stattdessen eine handgefertigte Platte abgeliefert, die von ihrer eigenen Vision und ihrer eigenen überlegten Herangehensweise an Pop durchdrungen ist. Hier gibt es nichts, was den Kopf erschüttern oder den Körper desorientieren könnte, stattdessen haben wir 16 Songs, die viele klangliche Prüfsteine erforschen und eine angenehme Begleitung für alles andere bieten, was wir im Leben vor uns haben. Nicht mehr lebenswichtig, aber dennoch süß befriedigend. Und so hören wir glitzernden 80er-Pop auf „There Isn’t Much“, folkig angehauchte Electronica auf „Wait For Me“, überschwänglich leuchtender Radio-Pop auf der Single „Brighter Days“ und verschnörkelte klassische Klänge in „July 25th“. Es ist offensichtlich, dass Sandé eine Künstlerin ist, die sich auf vielen Wegen auskennt.

Die Flut an banalen, grandiosen Selbstermächtigungs-Songs der letzten Jahre ist längst über Klischees hinausgegangen. Sandé springt in dieses Getümmel, wobei die zweite Hälfte des Albums mit einer Reihe solcher Songs  aufwartet. Das OTT-Orchester-Drum & Bass von „Yes You Can“ ist musikalisch interessant, aber der Disco-Gospel-Schnappschuss von „Brighter Days“ (“All of a sudden, sun will start to shine on you/Know you’ve been running but now it’s time for your breakthrough”) und dem abgenutzten lyrischen Einheitsbrei von „Superhuman“ (“Don’t forget that you’re superhuman”!), weniger. „Look What You’ve Done“ mit der Small-Heath-Rapperin Jaykae ist dagegen der erste Song, den sie selbst produziert hat. Wunderschön gesungen über verspielte Drums und schimmernde Synthesizer, geht es um die Euphorie des Verliebens. Angesichts der jüngsten Interviews kann es auch autobiografisch sein. Ehrlichkeit bleibt ein Eckpfeiler von Emeli’s Arbeit. Es gibt eindringliche Balladen, ein Instrumental, etwas epischen Soul und sogar Protest („Another One“) unter diesen 16 Tracks.

Obwohl Sandé zugibt, mit ihrem Coming-out „struggling“ zu haben, ist die Kunst, die sie aus diesem Kampf heraus geschaffen hat, die des „surviving“ – ein ständiges Thema in ihrer Arbeit. Sandé’s neues Album punktet mit Momenten des Selbstzweifels und der Besorgnis, bietet aber auch Beistand und Hoffnung.

6.9