Courtney Barnett & Kurt Vile – Lotta Sea Lice

Indie Rock, VÖ: Oktober 2017
LOTTA SEA LICE ist mit seinen knorrigen, sehnigen Gitarren und mörderischen Harmonien ein großzügiges Album. COURTNEY BARNETT und KURT VILE sind sowohl expansiv als auch verspielt. Das Ergebnis ist pure Magie – ein brillantes Konzept, das wirklich funktioniert und es zu einer der erfreulicheren Rockplatten des Jahres 2017 macht.

„Lotta Sea Lice“ ist ein gemeinsames Album von Courtney Barnett, der in Melbourne lebenden Indie-Garage-Gitarristin und Kurt Vile, Indie-Rock-Ausnahmetalent und ehemaliger War on Drugs-Leadgitarrist, der mittlerweile sechs Soloalben aufgenommen hat und mit jeder Veröffentlichung ähnliche Auszeichnungen wie Courtney erhält und oft als einer der besten Songwriter seiner Generation aufgeführt wird. Es ist keine überraschende Paarung. Die Eigenschaften der Musik des jeweils anderen passen zusammen: E-Gitarren-geführte, straffe, aber nicht übermäßig komplizierte Melodien, die sich über typisch witzige, provokative Texte spannen, die Banalitäten und Trivialitäten eines normalen Lebens beschreiben, die durch die zermürbenden Details, in denen sie präsentiert werden, seltsam erscheinen. Seltsamkeit ist das, woran sich beide Künstler erfreuen und was sie hier zusammenführen. 

Für „Lotta Sea Lice“ haben Barnett und Vile ältere Songs, sowohl ihre eigenen als auch die anderer Leute, gemeinsam geschrieben, individuell füreinander geschrieben und überarbeitet. Die Ursprünge dieser Songs liegen weit und breit – genauso weit wie die Entfernung zwischen Barnett’s Heimat Melbourne und Vile’s Heimat Philadelphia, Pennsylvania – aber sie sind mit Charme und der faulen Lässigkeit verbunden, die jeden Künstler so lächerlich und ungewöhnlich liebenswert macht. Als Feier der zwischenmenschlichen Interaktion stellt das Album Konversation, Freundschaft und jedes andere künstlerische Schaffen auf die gleiche Stufe. Sie alle erfordern bis zu einem gewissen Grad das Offenlegen von Schwachstellen. Sie alle haben die Macht, uns besser verständlich zu machen. “I cherish my intercontinental friendships, we talk it over continental breakfast, in a hotel in east bumble wherever,” singt Barnett. “Somewhere on this sphere, around here.”

Einsamkeit und Egoismus sind im Überfluss vorhanden, aber auch Optimismus. Beide landen letztendlich im Vertrauen in ihre Entscheidungen. Beim Highlight des Albums, „Fear is Like a Forest“, erforschen sie die Logik (und Unausweichlichkeit), Inspiration zu beachten und sich ins Unbekannte zu wagen, um das Vertraute und Tröstliche auszuschließen. Es ist sowohl ein Reflex als auch ein Akt des Glaubens. “Touch is like a tourist, you know when you are home, it’s not that I’m a purist, it’s just I’d rather be alone,” singt Barnett. Der Song baut sich zu einer triumphalen Machtfülle auf, wobei beide auf dem Album in den einfachsten Worten den Lohn des Risikos besingen: “I know that it works, cause I’ve seen that it’s true, if you just let it go, it’ll come back to you.” Der hin- und hergehende Gesangsstil des Duos ermöglicht es den beiden Indie-Barden, die Gedanken des anderen zu Ende zu bringen, à la die Beastie Boys auf „License to Ill“. 

Die Gitarre dominiert die Platte, was keine Überraschung ist. Vile und Barnett erzeugen mit ihren Instrumenten auffallend strukturierte Klangschichten, die die Noten des jeweils anderen ebenso vollenden wie ihre Texte. Dies ist eine Platte, von der Indie-Rock-Fans nur träumen können, eine Kombination, die so natürlich klingt, dass es ein Wunder ist, dass es nie früher passiert ist. „Lotta Sea Lice“ ist ein überraschendes Wunderwerk, das für beide Künstler viel mehr als nur eine Notlösung darstellt. Mehr noch, es deutet aufregende neue Richtungen für die Zukunft an.

8.3