Beyries – Encounter

Indie PopPop, VÖ: Dezember 2020
Nach der ehrlichen Betrachtung auf Ihrem Debütalbum liefert die französisch-kanadische Künstlerin BEYRIES nun Momente der Selbstfindung, die auf einer warmen Klanglandschaft aus weichen Gitarren und klingelndem Klavier fein ausbalanciert sind.

Die französisch-kanadische Singer-Songwriterin Amélie Beyries hat eine hörenswerte Geschichte. Die gebürtige Künstlerin aus Montreal schreibt seit ihrer Kindheit Songs, aber diese hat sie viele Jahre für sich behalten, um ihre Liebe zum einfachen Schreiben und Spielen zur persönlichen Erfüllung nicht zu verlieren, während sie in verschiedenen Restaurants und Büros arbeitete. Erst nach dem persönlichen Trauma, Brustkrebs zweimal zu besiegen, beschloss Beyries – jetzt von ihrem Vornamen getrennt – sich in Vollzeit der Musik zu widmen. Schon damals entschied sie sich, die Musik, die zu Ihrem ersten Album wurde, ohne ihren Namen zu präsentieren, damit die Leute sie nach ihren eigenen Vorzügen beurteilen konnten.

Das Album „Landing“ aus dem Jahr 2017 war eine absolut ehrliche, verständlicherweise manchmal trostlose Zusammenfassung des bisherigen Lebens seiner Schöpferin, die sich um Beyries’ zitternde, wohlklingende Stimme, sanfte Gitarren und Klavier drehte. Es verkaufte sich respektabel gut und machte ein internationales Publikum auf sie aufmerksam. Ihre Streifzüge in französischsprachige Lieder gaben ihrer Arbeit eine besondere zusätzliche Würze. Der von Beyries nun erschienene Nachfolger „Encounter“ beschreibt ihre Reise der Selbstfindung durch die Musik, Tourneen und die vielen Menschen, die sie auf dem Weg getroffen hat, als einen bewussten Richtungswechsel zu „Landing“. 

Es ist weniger zerbrechlich, selbstbewusster und voller im Klang, mit größerer instrumentaler Variation. Leider hat diese Entwicklung dazu geführt, dass sie einen Teil der faszinierenden Intimität ihres Debüts geopfert hat. Manchmal schafft sie dennoch ein Gleichgewicht zwischen ihren beiden Modi, wie in dem sternenklaren Nachthimmel von „Into You“. Es ermöglicht Beyries’ sanfter Stimme, die rauchigeren Tiefen in einem Arrangement zu erkunden, das sich verdientermaßen üppig anfühlt, obwohl die Streichersektion fast die zarte Sinnlichkeit des Songs dominiert. Ein weiteres Highlight hören wir mit „The Story of Eva“ und zugleich den Beweis für Beyries’ Dynamikbereich mit Grunge-nahen Gitarren und einer entfernten Chorstimme, die ihren Sound dezent stürzt.

„Encounter“ ist eine ehrgeizige Platte, die voller Leidenschaft und akribischer Liebe zum Detail und zur Struktur ist. Es ist manchmal überwältigend, fühlt sich aber in den bedeutsamen Momenten nie langweilig oder faul an.

7.4