Arcade Fire – Neon Bible

Indie Rock, VÖ: März 2007
Ein Album, das so in unergründlicher Dunkelheit versunken ist, sollte nicht so blendend klingen, tut es aber. Wie ARCADE FIRE, die es aufgenommen haben, ist NEON BIBLE ein spannendes Rätsel.

Da konnten Arcade Fire im Februar ordentlich Sympathiepunkte sammeln, als die Band Ihren Liveauftitt in der New Yorker Judson Memorial Church live als Stream und in voller Länge auf npr.com bereitstellte. Nach dem Konzert standen die Kanadier außerdem in einem Interview noch Rede und Antwort. Neben den bekannten Hits wie „Rebellion (Lies)“ und „Neightborhood #3 (Power Out)“, wollten die Fans natürlich in erster Linie Stücke von der neuen Platte „Neon Bible“ hören und wurden diesbezüglich in Ihren Erwartungen nicht enttäuscht.

Denn es gab nicht nur die großen Hits „Black Mirror“, „Intervention“ oder das in einer neuen Version aufgenommene „No Cars Go“ zu hören, sondern auch die ruhigen Stücke „Ocean Of Noise“ und „Black Wave/Bad Vibrations“, auf dem Régine Chassagne mit herzzerreißender Stimme die Kirche in eine glänzende Dunkelheit hüllte. Anmutig und zugleich bedrohlich huschten die Schatten über die Wände und zauberten kunstvolle Gebilde, die gegen Mitte in einem spielerisch leichten Farbwechsel an Win Butler übergeben wurden. Der Raum erstrahlte wieder in einem warmen hellen Licht und das Tempo wurde angezogen.

„Intervention“ fügte sich in diese düster verlockende Stimmung am Besten ein und versteht es wie kein anderer Song, emotional aufgeladen und in dichten Schichten die Orchestrierungen zu perfektionieren. Nachdem die Band 2006 die meiste Zeit im Keller einer kleinen Kirche außerhalb von Montreal verbrachte, stand mit „Intervention“ die dritte Single zum Download auf iTunes bereit. Schnelle Käufer dürften sich danach ein wenig gewundert haben. Grund dafür war eine falsche Spur, die aus „Intervention“ mal eben „Black Wave/Bad Vibrations“ machte, aber alles halb so schlimm: Die Erlöse wurden an soziale Einrichtungen gespendet.

Das sich die Songs vorab im Internet tummeln ist in der heutigen Zeit fast unvermeidlich, aber in Arcade Fire´s Online-Tagebuch schrieb Win Butler dazu:“We decided to try and get a couple of songs out to people before the record leaks, but keep in mind that the record is very much meant to be heard as a whole. That is why we leaked over 100 songs on Myspace.com as fake band names over the last year and then made a compilation of the 11 most popular songs and called it Neon Bible! You will hear the whole record in due time and I am sure it will all make sense.“

Und er hat Recht behalten. Die harte Arbeit hat sich mehr als ausgezahlt, „We have probably worked harder in the last three months than in the rest of our lives combined..“ und viele finden das zweite Werk von Arcade Fire deutlich anders als sein Vorgänger. Es wirkt familiärer, die Band bewegt sich mehr nach Außen als nach Innen und Ihr Ton ist mehr böswillig als erlösend. Wütend, verbittert und paranoid, aber auch großzügig und mitfühlend in Ihren Standpunkten und Ansichten über die Regierung, Kirche, dem Militär und der Entertainment Industrie bleiben die Kanadier auf „Neon Bible“ oftmals auch unzugänglich. Einzig „Black Mirror“ gibt dem Hörer einen natürlichen Zugang und führt Ihn gemeinsam in die bedrohlich berauschende Welt.

Arcade Fire hatten es auch schwer, wie sollte „Funeral“ übertroffen werden? Vielleicht hätten die Kanadier nach „No Cars Go“ Schluss machen sollen, der thematische Sinn wäre perfekt gewesen, die Abschieds-Einladung wäre zur rechten Zeit gekommen und der schwarze Spiegel würde sich nicht in einem verzerrten Bild wiedergeben müssen. „Mirror mirror on the wall/ Show me where them bombs will fall.“ Arcade Fire haben dennoch ein großartiges Zweitwerk abgeliefert mit vielen Emotionen, kunstvollen Verstrickungen und elf Songs, die von einer langen Haltbarkeit profitieren werden.

8.2